Skaten und ADHS?

Timo Ventroni ist Skate-Trainer (also zertifizierter Cool-Man).
Ich habe ihn in Hamburg kennengelernt, als ich mich neugierig auf eins seiner Skateboards gestellt habe. Aber was hat Skaten mit ADHS zu tun?! Alles, was uns bewegt — und unseren Kopf ein wenig leiser macht, können wir gut gebrauchen. Und wenn wir dann noch cool aussehen dabei: JACKPOT!

Hello! Stell dich doch einmal kurz vor! 
(Was machst du, wie heißt du eigentlich, und was ist grade dein Lieblingsgetränk?)

Moin! Ich bin Timo, von Haus aus Kleinstadtjunge und über den Umweg Braunschweig habe ich es vor 2 Jahren in die Großstadt Hamburg "geschafft" - ich lebe und liebe es hier!

Mein Alltag dreht sich zu 99% um´s Skaten, denn ich bin Betreiber einer Skateboardschule hier in Hamburg.

Ich zeige Leuten allen Alters die Kunst des Skatens und organisiere Programmpunkte auf Festivals, mache Moderation, Werbeshoots, vermittle Shows mit Skateprofis, ich integriere Skaten an Schulen und Universitäten und plane Reisen und Retreats für alle Altersgruppen.

Ein Leben auf dem Board also!

Ansonsten habe ich noch eine große Leidenschaft für Fußball und meinen BVB, ich liebe jede Form der Live-Musik und habe mein ganzes Leben lang schon einen hidden crush auf Dinosaurier.

Wie bist du zum Skaten gekommen?

Als Kind der 90er Jahre gehörte Skaten einfach dazu, wie der Discman, ICQ, Center-Shocks und Pokémon.

Alle meine Homies standen irgendwie mal auf einem Brett, skaten war halt das Ding damals. Als ich mit ca. 10 Jahren auf meinen Knien einen Berg runtergeschossen bin, war ich direkt gefesselt von diesem Gefühl.

Ich war schon immer ein recht umtriebiges Kind, zu der Zeit habe ich auch Fußball und Handball gespielt und wurde auch in beiden Sportarten auf Kreisebene gefördert - aber das Skateboard hatte immer etwas Faszinierendes für mich.

Ich glaube im Nachhinein war der Key bei mir, dass es etwas Sportliches ist, das niemals langweilig wird und ich selbst entscheiden kann, wann, wo und mit wem ich das mache.

Es ist einfach freier gegenüber verpflichtenden Trainingstagen im Mannschaftssport. Außerdem konnte ich mir meine "Crew" aussuchen, meine Fußballmannschaft zwar auch, aber man hatte halt immer diese 1-2 Leute dabei, mit denen es schwierig war. Skaten war wie eine Spielwelt für mich, wo ich alles selbst entscheiden kann: Das Level, die Teammates, die Dauer, den Inhalt - einfach alles createst du selbst und wer Bock hat mitzuzocken, tritt deiner kleinen fiktiven Lobby bei und kann auch jederzeit wieder gehen.

Unterrichtest du auch Kinder mit ADHS?
Falls ja, unterscheidet sich die Art zu lernen von den anderen Kindern? 


Es ist jetzt nicht so, dass wir spezielle ADHS-Workshops haben.
Was ich auch wichtig finde, denn ADHS soll ja inklusiv sein und nichts, wo wir Menschen speziell mit ausgrenzen wollen. Allerdings gibt es ja gewisse Eigenschaften, die ADHS mit sich bringt, die wir im Skaten von Vorteil sind. Die Verbissenheit, etwas unbedingt können zu wollen. Erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit. Ständig wechselndes Umfeld zum Skaten. Kreativität, gerade im Bereich "think out of the box" - alles Muster von ADHS, die mit dem Skateboard hervorragend matchen.

Eigene Herausforderungen kreiren

Als Skater stehe ich emotional nicht vor unbekannten Problemen, sondern ich kreiere meine eigenen Herausforderungen. Was für nicht ADHS- und nicht skatende Menschen wie eine einfache Steinbank aussieht, ist für mich als Skater ein Street obstacle. Das ständig wechselnde Umfeld befriedigt ADHS-Menschen dahingehend, dass sich deine Herausforderungen (Spielfeld) permanent ändern.

Foto: @official_bowlshit 

 Nicht nur architektonisch. Manche Spots kannst du nur sonntags fahren, weil du sonst verscheucht wirst. Manche Plätze hingegen sind sonntags so überfüllt, dass du sie eher unter der Woche skatest.

Somit lebe ich als Skater in einer Art Parallelwelt, die mir unendlich viele Möglichkeiten bietet, mich auszuleben. Körperlich, kreativ, ausdauernd und das meistens in guter und selbst gewählter Gesellschaft. 

Welche Vorteile siehst du für Kinder mit ADHS beim Skaten?   

Ohne ADHS-Profi zu sein, behaupte ich mal, dass wir hier ein Lernfeld haben, welches einige "Symptome" (ich nenne es Superkraft) nicht nur bedient, sondern diese Superkräfte auch so gut nutzbar macht, dass ADHS in unserer Welt überhaupt nicht als etwas Negatives gesehen wird. Es bedeutet nicht, dass ADHS notwendig ist zum Skaten, wie beispielsweise Körpergröße im Basketball, aber wenn wir ADHS ganzheitlich sehen, ist Skateboarding eines der wenigen gesellschaftlichen Felder, wo ADHS eher einen Bonus als einen Malus mit sich bringt. 

Skateboarding kann niemals langweilig werden, weil es literally unendlich viele Tricks und Kombinationen gibt, sodass niemand jemals alles können wird. Ich denke, dass Skateboarding ein sehr gesundes und starkes Instrument ist, um Menschen mit ADHS einen Raum zu geben, ihren Superkräften mal freien Lauf zu lassen.

Ein bisschen wie bei den Avengers haha!

Dabei müssen wir aber unser Umfeld berücksichtigen. Wenn dieses Umfeld ein Skatepark ist, dann kannst du die Büchse der ADHS Pandora komplett aufreißen und auskippen - nobody cares! 

Lohnt sich das noch anzufangen, wenn man kein Kind mehr ist? 

Auf JEDEN FALL!

Skateboarding ist nichts, was nur Kinder lernen können. Es sind Bewegungsabläufe, die wir teilweise schon aus anderen Bereichen kennen – wir müssen sie nur anwenden. Mit Kontinuität kommt Sicherheit, durch Sicherheit entsteht Kreativität.

Foto: @mcreatiives

Auch wenn du mit 30 anfängst und 2x die Woche für 2h skatest. Dann bist du nach 2 Jahren verdammt gut. It´s never too late!

Ich selbst habe meine Skateboardschule mit 30 gegründet und bin dadurch nochmal extrem gelevélt in den letzten Jahren. Geduld und Kontinuität sind der Schlüssel zur Verbesserung - losgelöst vom Alter. Und mit dem Alter werden wir auch eh geduldiger ;)

Wie viel Geld muss man impulsiv anfangs ausgeben, um cool im Skatepark auszusehen? 

Eins vorweg: Im Skatepark sehen wir alle cool aus, denn an diesem Ort ist Akzeptanz die vorherrschende Emotion und Regel.

Skateboarding ist ein Schattenriese – bedrohlich, einschüchternd aus der Ferne, aber je näher man dem Riesen kommt, umso mehr merken wir, dass der Riese gar nicht so groß und bedrohlich ist.

Skateboarding ist ein Ort der Diversität und wird es auch immer bleiben. Allerdings braucht’s ein paar Materialtipps, die du berücksichtigen musst:

  • Als allererstes natürlich das Board. Geh in ein Fachgeschäft, idealerweise dein local Skateshop und lass dir dort ein Komplettboard geben. Das sind vorgebaute Komplettsets, die sich in Größe und Grafik unterscheiden, ansonsten dem professionellen Standard entsprechend. Da liegst du zwischen 80-100€ und kommst damit auf jeden Fall 2 Sommer mit aus.

  • Ansonsten tun es ein Satz vernünftige, feste Sport Sneaker ohne Mesh für den Anfang auch.

  • Ein Schonerset und Helm bekommst du ebenfalls für unsgesamt 80€ und das hält auch mehrere Jahre. Damit ist dein Grundsetting für mindestens 2 Jahre am Start. 

Kurzer Ausflug in’s Skaterknowledge:

Mit der Zeit wirst du gewisse Präferenzen entwickeln. Du fühlst dich in schmalen Skateschuhen wohler und brauchst ein breites Board. Dir gefällt zum Beispiel es besser, wenn die Rollen etwas mehr Grip haben und deine Achse extrem empfindlich lenkt. Dann entwickelst du die Materialknowledge, informierst dich über verschiedene Konkaves der Bretter, probierst mal ein twin tail aus und willst 99A Rollen fahren. Spätestens hier wird man zum Nerd! Keine Sorge, diese ganzen Begriffe lernst du im Skatepark!

NO-GO’S:

  • Ganz wichtig: Niemals den mall grab (english: mall = Einkaufscenter) machen. Quasi das Sakteboard an der Achse tragen. Das Board so zu tragen ist eigentlich direkt das Zeichen von „Ich habe keine Ahnung von gar nichts“. Es resultiert aus der Zeit, als Skaten gerade in den USA den ersten Hype hatte und viele Menschen sich einfach ein Skateboard gekauft haben, um „cool“ zu sein. Das Board dann an der Achse durch die großen malls (Einkaufscenter) Amerikas zu tragen, ohne es zu skaten, war dann die Geburtsstunde des mall grabs.

  • Snaken. Das ist quasi das Vordrängeln und im Weg fahren. Ich glaube auch die größte Angst: „Ich will nichts falsch machen." Ich kann euch beruhigen, es ist sehr einfach:
    Man versucht sich im Skatepark abzuwechseln, hin und her, rechts, dann links usw.
    Wir chillen nicht auf den Rampen, sondern neben dem Park.

  • Und zu guter Letzt: Redet miteinander. Dazu habe ich selbst mal einen kleinen Ratgeber geschrieben.

Auch hier gilt: Geh in den Skatepark, stell dich vor und sag den Leuten einfach, was los ist. Da reicht es zu sagen "Hi, ich bin Timo, ich fange gerade mit dem Sakten an. Ey, falls einer Tipps hat oder ich mal im Weg bin, sagt mir Bescheid". 
Ihr habt ja keine Vorstellung, wie hilfsbereit Skater:innen sind und wie schnell du dort neue Freund:innen findest – mach’s mal und du wirst sehen: Es funktioniert.

Wie lange braucht man, bis man freshe Tricks am Start hat? 

Das kommt immer auf deinen eigenen Effort und dein Umfeld an. Grundlegender Tipp: Besorg dir eine Skatecrew wo immer jemand dabei ist, der besser skatet als du! Durch gezielte Korrekturen beim üben der Tricks lernst du viel schneller als durch das reine autodidaktische turbo wiederholen! Mache Videos von deinen Versuchen und analysiere sie. 

Realistischer Zeitrahmen?

Reden wir mal von einem realistischen Ziel, der sogenannte Ollie (mit dem Board springen). Wenn du richtig Gas gibst und mehrmals die Woche übst, dann kannst du einen Ollie schon nach 4-6 Wochen. Sobald du den hast, kommen die anderen Tricks rasend schnell. 

Nach einem Jahr kannst du mit dem richtigen Training und einer kleinen Portion ADHS auf jeden Fall sicher fahren und mindestens 10 der Basic Tricks im Flat oder auf der Rampe. Ich hab´s selbst gesehen!

Foto: @official_bowlshit 

Und zum Schluss: Deine Werbefläche! Was sollen die Leute wissen? 

Ihr solltet über mich wissen: Ich bin Timo und ich habe Lust, die Welt ein bisschen besser zu machen! Ich bin davon überzeugt, dass Skateboarding ein einzigartiger Cocktail aus Sport, Leidenschaft, Kultur, Team, Eigeninitiative und Kreativität ist, ohne dass es die Notwendigkeit einer Competition braucht. Diesen Cocktail kann ich jedem Menschen schmackhaft machen. 

HIER MIT TIMO IN’S SURF- & SKATCAMP!

Skaten ist viel mehr als ein Ort voller Outlaws, die woanders keinen Anschluss finden.

Skateboarding ist so eine wundervolle Kunst, ein anstrengender Sport, eine ganz eigene Subkultur und offen für alle. Skateboarding bringt dich auf die Sonnenseite des Lebens und du wirst Fehler nie wieder als etwas Schlechtes sehen.

Also falls du Bock hast auf eine zwanglose neue Welt in deiner jetzigen Welt dann komm doch ein wenig mit auf die Arche Noah der guten Laune, wir haben Platz.

Mit meiner skateacademy möchte ich einfach jeder/m ermöglichen, Teil dieser Reise zu sein. Wir unterstützen dich auf deinem Weg zu Olympia mit Training und Sponsorenvermittlung genauso wie wir entspannte Retreats im Winter machen, um einfach einen lockeren Urlaub auf Wellen und Rampen zu haben.

Wie sieht´s aus, Bock mal 'ne Runde zu rollen?

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ADHS und Urlaub?